Auf dem neuen Friedhof wurde 2014 ein Trauerpfad angelegt. Dieser ist verschiedenen Trauerphasen nachempfunden. Sie basieren auf einem Modell der Schweizer Psychologin Verena Kast und zählen zu den wichtigsten Grundlagen für das Verständnis von Trauerprozessen.
Die Gestaltung eines zentralen Platzes war auch ein Anlass, um verschiedene Gruppen von Menschen zu bewegen, eine Gemeinschaftsgrabstätte in diesem Bereich des Friedhofs anzulegen, denn größere zusammenhängende Freiflächen bieten sich an, um individuelle Anlagen dort anzusiedeln.
Im Folgenden werden die verschiedenen Trauerphasen beschrieben und wie diese im Trauerpfad umgesetzt wurden.
1. Trauerphase: Nicht-Wahrhaben-Wollen
Der Tod eines Menschen schockiert immer, auch wenn er nicht unerwartet kommt. Auf einmal ist alles anders. Verzweiflung, Hilf- und Ratlosigkeit herrschen vor. Das Geschehene wird noch nicht erfasst, man leugnet es ab, man kann und will es nicht glauben.
Diese Phase wird verdeutlicht durch eine düster anmutende Fichtengruppe, die schon vor der Gestaltung vorhanden war und durch eine Torwirkung den Eingang zum Trauerpfad bildet.
2. Trauerphase: Aufbrechende Emotionen
Gefühle bahnen sich nun ihren Weg. Leid, Schmerz, Wut, Zorn, Freude, Traurigkeit und Angst können an die Oberfläche kommen. Je nach der Persönlichkeitsstruktur des Trauernden herrschen verschieden Gefühle vor. „Warum musste es ausgerechnet mich treffen?“ oder „Womit habe ich das verdient?“ Das sind Fragen, die sehr leicht aufkommen. Man schreit seinen Schmerz heraus, Wut und Zorn entstehen gegen Gott und die Welt. Aber auch gegen den Toten werden Vorwürfe gerichtet: „Wie konntest du mich nur im Stich lassen?“ oder „Was soll nun aus mir werden?“ Diese aggressiven Gefühle können sich aber auch gegen einen selbst richten: „Hätte ich nicht besser aufpassen müssen?“ oder „Hätte ich das Unglück nicht verhindern können?“ Als Folge davon entstehen Schuldgefühle, die den Trauernden quälen.
Diese Phase wird dargestellt durch ungewöhnliche, bizarre oder gar stechende Pflanzen wie z.B. das Brandkraut oder verschiedene Disteln.
3. Trauerphase: Suchen und Sich-Trennen
Auf jeden Verlust reagieren wir mit Suchen. Was wird eigentlich in der Trauer gesucht? Zum einen der reale Mensch, das gemeinsame Leben, gemeinsame Orte mit Erinnerungswert. Auch in den Gesichtern Unbekannter wird nach den geliebten Gesichtszügen gesucht. Gewohnheiten des Verstorbenen werden übernommen. Gemeinsame Erlebnisse sollen Teile der Beziehung retten und werden gleichsam gesammelt. Dies erleichtert die Trauer. Durch diese intensive Auseinandersetzung entsteht beim Trauernden oft ein starkes Begegnungsgefühl.
Dazu wurde an dieser Stelle ein zentraler ruhiger Aufenthaltsort geschaffen. Hier können sich Menschen begegnen, sich über Ihren Verlust austauschen oder sogar eine kleine Abschiedsfeier im Rahmen einer Beisetzung abhalten.
4. Trauerphase: Neuer Selbst- und Weltbezug
Nachdem man seinen Schmerz herausschreien durfte, anklagen und Vorwürfe machen durfte, kehrt allmählich innere Ruhe und Frieden in die Seele zurück. Der Tote hat dort seinen Platz gefunden.
Langsam erkennt man, dass das Leben weitergeht und dass man dafür verantwortlich ist. Es kommt die Zeit, in der man wieder neue Pläne schmieden kann. Der Trauerprozess hat Spuren hinterlassen, die Einstellung des Trauernden zum Leben hat sich meist völlig verändert. Der Verstorbene bleibt ein Teil dieses Lebens und lebt weiter in den Erinnerungen und im Gedenken.
Am Ende des Trauerpfades befindet sich ein buntes Blumenbeet mit leuchtenden Stauden, wie z.B. Sonnenhut, Mohn oder Kornblumen, die symbolisieren: das Leben geht weiter.